[…] Die Handlung der Tragödien könnte sich gar nicht entfalten, wenn nicht vor dem Anfang schon einiges geschehen wäre: Eteokles und Polyneikes sind bereits tot, und Kreon hat sein Bestattungsverbot bereits ausgesprochen; Ödipus hat seinen Vater bereits getötet. Und auch dies ist nicht der Anfang: Das Orakel hatte den Mord vorausgesagt, denn auf Ödipus Familie, die aus der Erde gewachsen ist, liegt schon seit jeher ein Fluch. Aristoteles’ zentrale These, dass der Mythos am entscheidenden Punkt zur Wiedererkennung (anagnorisis) führe, die idealerweise mit der Umkehr (peripeteia) zusammenfalle, verweist selbst darauf, dass dem Anfang etwas vorausgehen muss, was plötzlich wiedererkannt wird: ein verdrängtes Wissen, das plötzlich offenbar wird. Auch fangen die Tragödien im klassischen Zeitalter (anders als zu Aristoteles’ Zeit) nicht mit dem Anfang des Stücks an; […]
Kommentar:
Allem geht etwas voraus und allem folgt etwas, es gibt keinen klar umrissenen Beginn von etwas. Es gibt keine Möglichkeit einen Anfang oder entsprechend auch ein Ende festzulegen.
Wo ist der Anfang einer Welle? Die vorausgegangene Welle, Der Wind, der Mond, die Rotation des Mondes um sich selbst, die Bewegung des Mondes um die Erde, die Bewegung der Erde um die Sonne, …?
Alles ist in Bewegung und initiiert von sich heraus Veränderungen die andere Veränderungen anstoßen. Da es nichts statisches / festes gibt an dem man sich orientieren / festhalten könnte, weil es auch in Bewegung ist, ist es verschwendete Energie dies versuchen zu wollen.
Der einzige Bezugspunkt der zu existieren scheint, ist der gegenwärtige Augenblick, der Moment. Alles was zu tun ist, erscheint im Moment, im Jetzt.
Jetzt ist Vergangenheit und Zukunft zugleich. Der Beginn des einen ist das Ende des anderen und das Ende des einen ist der Beginn des anderen.
Der Sinn der Veränderung ist die Veränderung und die Veränderung ist der Sinn.
Am Ende des Wissens gibt es keine Antworten mehr, weil es keine Fragen gibt, weil alles bereits da ist.
Das Zitat stammt aus dem Buch „Dramaturgien des Anfangens“ von Adam Czirak / Gerko Egert (Hrsg.) und ist im Neofelis Verlag erschienen und kann hier bestellt werden.
Der zitierte Text stammt von Jörn Etzold